Mit
einer Wandergruppe auf den Camino zu gehen, dazu noch jede Nacht in anderen
Betten schlafen, mal Quartier in Klöstern nehmend, mal in öffentlichen Herbergen
sich aufs Ohr legen -
Reservierungen nicht immer möglich - das ist schon eine spezielle
Herausforderung. Spannend bleibt es auch, mit einer Gruppe Zubringer Busse,
Metros, Straßenbahn und Züge zu benutzen – pilgern ist nicht auf Fahrpläne
ausgerichtet, manche Abfahrten bleiben dann nur Wunschdenken.
Montag: Die Reise begann schon mal positiv, unser
Hin- und Rückflug hatten unter tausenden von gecancelten Flügen von Ryanair
Bestand. In Porto abgespannt angekommen, hatten wir unser schweres Gepäck in der
Herberge 3 Etagen enge Stiegen hochzuschleppen. Danach Abendessen in der Stadt.

Dienstag: Der kommende Tag galt der „Eroberung“ der
Stadt, u.a. der Kathedrale, dem fantastischen Jugendstil-Bahnhof und den
Gebäuden, verkleidet in Azulejos, den blauen Kacheln. Wir wollten partout für
uns die Pilgermuschel erwerben. Das war in ganz Porto nicht möglich und
solchermaßen lernten wir die Stadt nicht touristik-like kennen. Wir genossen die
Mittagsrast in einem Park über dem Fluss Douro, der manchesmal geheimnisvoll in
Nebelschwaden verschwand. Mit der Electrico rumpelten wir zum Forte da Foz, wie
in alten Zeiten; es machte Laune die Zugklingel zu bedienen.
Mittwoch: 6 Uhr aufstehen, mit dem mitgeschleppten
Tauchsieder „Plastikkaffee“ aufgeschüttet, Notbutterbrot gegessen und Punkt 7
Uhr starteten wir mit unserem Küsten-Camino, von Porto nach Labruge, ca. 20 km. Es war ein Tag, an denen unsere Füsse
viel Beton aushalten mussten, die Sohlen brannten! Angesagt war, das galt für
alle Tage, dass wir erst nach 2 Stunden die erste Rast hatten, eine Bareinkehr
auf eine Stunde, für Kaffee, Käsetoastbrot und Toiletten. Irgendwann wechselte
Beton in Holzstege. Unglaublich wieviele abgeländerte Holzstege, als
Dünenschutz, die Portugiesen für den Camino angelegt haben. Den Füßen war diese
Holzfederung eine Erholung. Der Wassernebel wollte nicht weichen, vom Ufer aus
tuteten die Nebelwarnungen für die Schiffe übers Meer. Unsere Mittagsrast
hielten wir am Fuße eines Obelisken. Kurz vor Labruge die Hiobsbotschaft: im
alten Schulgebäude ist „kein Bett mehr frei“ – wir hätten auf die gepilgerten 21
km nochmals 3 draufsetzen müssen – wuff! – und ob es in Vila Cha noch freie
Betten für uns alle gab, war ja auch ungewiss. Es stellte sich als
Missverständnis (Sprache und so..) heraus, wir bekamen für alle einen Raum mit
ebenerdigen Betten. Aber etwas lief schief, am anderen Morgen wachte ich mit 23
gezählten Mückenstichen auf, nur ich, selbstlos hatte ich die gierigen Viecher
zu mir gelockt – das ist doch echte Kameradschaft!
Donnerstag: Um 7 Uhr wieder auf dem Camino, von
Labruge nach
Agucadoura, ca. 20 km. Unser Mittagsziel war Vila do Conde, die Stadt mit dem 8 km langen Aquädukt und
seinen 999 Rundbögen. Am Fluss Ave hielten wir, unter dem ständigen Gezänk der
Möwen, unser 1 stündiges Mittagspicknick
ab.
Ab hier ging es in Küstennähe weiter über
den Dünenholzweg. Wir nächtigen auf dem Campingplatz Rio Alto, verteilt auf 2 „Schwedenhäuschen“. Wir
bekochten uns in einer der Hüttchen
selbst: leckere Kartoffeln, für jeden 2 kleine
Bratwürstchen,
eine
leckere Specksauce, dazu eine
riesige Schüssel bunten Salat, natürlich fehlte auch nicht der
Wein.
Freitag: Um 7 Uhr auf dem Camino, von Rio Alto nach Marinhas, ca. 15 km. Der Morgen wieder im Nebel.
Nach 2 Stunden eine Frühstücksbar in Fao aufgesucht. Anschließend über den Fluss
Cavado und entlang einer Strandpromenade. Heute sind wir mal nur 17 km unterwegs.
In
Esposende okupieren wir ein Fort mit weiter Sicht übers Meer. Das Fort bewahrt
auch ein hölzernes Ruderboot, man könnte in See stechen - leider löchrig. Es ist
beruhigend für unsere heutigen Betten gut in der Zeit zu sein. Hier hat die
Gruppe nur eine Übernachtungschance, wenn sie vor allen anderen Pilgern an der
Tür steht. Das Haus bietet eine große Küche und schöne Außenanlage, Steintische
und Steinbänke. Wir werden uns
heute mal wieder selbst bekochen: einen Kanibalentopf voll Nudeln, leckere Sauce
dazu, ebenso reichlich bunten Salat, frisches Brot darf auch nicht fehlen. Sogar
an Nachtisch ward gedacht, ich glaube es war feine Schokolade. Na ja, wie zu
allen Mahlzeiten – der köstliche Wein darf nicht fehlen. Einen recht jungen Mann
trafen wir hier und da auf dem Weg, Lukas war auf dem Weg nach Santiago. Lukas
luden wir zu unserem „Überfluss“ ein und er aß den Topf und die Schüsseln auch ratzeputz leer. Eine
Restaurantbesitzerin aus Flensburg setzte sich auch noch zu uns. Sie war
erstmalig auf dem Camino und mit übergewichtigen Gepäck unterwegs. Die Trommeln
auf dem Camino funktionieren gut. Tage später erzählte uns eine Südafrikanerin,
dass eben diese Köchin sich wegen Überlastung beim Arzt eine Spritze hat geben
lassen müssen und jemand freundlich Fremdes ihr geholfen hatte sich von unnützem
Kram zu trennen. (Ich kann mich an meine erste erste Treckingtour durch
Griechenland erinnern, da hatte ich sogar ein Reisebügeleisen in den Rucksack
gepackt, doch nie gebrauchen müssen). Abends besuchten wir noch nebendran
in der Kirche die hl. Messe. Wie es früher allenthalben üblich war, gab es in
Kirchennähe eine Bar und so testeten wir diese kurzerhand, ein Aguardiente,
randvoll, nur 50 Cent. Danach ließ sich gut schlafen.

Samstag: Um 7 Uhr sind wir wieder auf dem Weg,
heute von Marinhas nach Viana
do Castelo, ca. 23 km. Heute pilgerten wir bei 30°C,
Kopfbedeckungen mussten her, mit Nackenschutz und ab und an schütteten einige
von uns sich zur Abkühlung Wasser über das Haupt. Es sollte ein mühsamer Tag
werden, auch wenn es heute der schönste Abschnitt auf der Küstenwanderung in
Portugal war: historisches Pflaster, Eukalyptuswald, Kiefernwald. Nach 2 Stunden hatten wir immer noch
keine Frühstücksbar gefunden. Wir ackerten bei dieser Hitze den Berg hinauf,
bekamen von der mitfühlenden Küsterin der Kirche Santiago eine Notration Kekse
zugesteckt. Also wanderten wir nochmals eine aussichtslose Stunde, wieder keine
Bar. Nun schwatzten wir freundlich zu einer Eignerin über den Zaun, fragten, ob
sie uns gegen Entgelt Kaffee kochen würde. Das Ehepaar ließ uns in den
Weinlaubschatten ihres Vorgartens. Es verwöhnte uns mit Kaffee, spendierte auch
noch reichlich Zwiebackähnliches mit Butter und selbstgemachter leckerer
Marmelade. Schließlich bot man uns noch selbst gekelterten Wein an. Aber der
Hitze wegen verzichteten wir ungern auf diesen Trunk. Erholt wurde der
Rucksack wieder geschultert und weiter gings bis nach Chafe, endlich auch eine
Bar zur ausgedehnten Einkehr. Vom Berg abwärts sehen wir bereits unser Ziel
Viana do Castelo, doch wir lassen uns nicht täuschen, es wird noch eine Zeit
dauern bis wir das Kloster der Karmeliter erreicht haben. Wir überschreiten die
563 m lange Brücke vom Architekten Gustav Eiffel geplant (auch
Eiffelturm), an der 2000 Tonnen Eisen verbaut wurden.
Banges Hoffen, hoffentlich gibt man uns auch Herberge. Es klappt, der Pastor
selbst weist uns ein und übergibt uns Bettwäsche und Handtuch. Direkt nach der
Ankunft im Quartier ist stets Duschen angesagt, bevor die Anderen das Nass
blockieren und uns das warme Wasser „wegnehmen“. Ehe wir zum Essen gehen
besuchen wir an dem Spätnachmittag auch noch die Messe „unseres“ Pastors. Im
Restaurant, nicht weit vom Kloster, gibt es für alle ein Pilgermenue, unter 10
€: ordentlich Suppe, Fisch- oder Fleisch-Hauptspeise zu Beilagen, eine
ordentliche Portion Wein oder je 1 Flasche Bier – der sonst übliche Nachtisch
ward gestrichen, schade.
Sonntag: dieser Tag ist der Stadt Viana do Castelo gewidmet. Zuvor frühstücken wir aber noch
in einer Kloster nah gelegenen Bar und nehmen anschließend noch einen
Quartierwechsel vor, in die nahe am Fluss Lima gelegene Jugendherberge. Wir
brauchen noch nicht einmal unseren Jugenherbergsausweis vorzuzeigen, Pilger
bekommen eh´einen Übernachtungsbonus, sind höher angesiedelt. In Klöstern und
öffentlichen Herbergen ist es nur erlaubt 1 Nacht zu verbringen. Diese Stadt
soll die schönste auf dem Küstenweg sein, wir sehen uns genüsslich um. Mit der
durch Zugseil gezogenen Bergbahn erreichen wir dann auch die Basilika Santa
Luzia, besteigen noch deren Dach und halten später im Schatten unser
Mittagspicknick ab. Am Nachmittag finden wir in der heimeligen Altstadt eine
Bar, sitzen draußen, nehmen einen Teil der Gasse in Beschlag. Das bedeutete,
dass, wenn jedesmal ein Auto passierte, wir aufstehen mussten, die Stühle unter
den Tisch schieben mussten, damit der Wagen weiter fahren konnte - und diese
Unterbrechung gab es häufig.
Ich
weiß nicht wie ich zu der Ehre kam, aber ein über 80jähriger Gast bezahlte meine
Weinzeche. Abends speisten wir in einem Lokal mit typisch portugiesischen
Gerichten.

Montag: Es geht weiter! Heute stehen nochmals
ca. 20 km Wegstrecke an, von Viana do Castelo nach Vila Praia de Ancora.
Die Besiedlungsdichte nimmt
ab, der Weg führt über Pfade und Pflaster, gemauerte Hohlwege und grünere
Landschaft. Nach 2 Stunden finden wir eine Frühstücksbar, etwa im Stil unserer
Eisdielen, dafür zahlen wir diesmal auch das Doppelte an Preis für unseren
Verzehr. Unterwegs schenkte mir eine Frau einen mindestens 3 kg schweren Kürbis,
den schleppte ich auch noch etliche Kilometer, schließlich hatten wir heute vor
uns mal wieder zu bekochen: Kartoffelkürbissuppe mit Ingwer, Brot, den
herrlichen Käse für aufs Brot und alle Zutaten zu einem herrlichen Salat, Obst
und – der Wein. Eine von uns nutzte unterwegs einen 1 m großen Meilenstein als
Sitz; Pech gehabt, der Stein kippte um, 3 Leute vermochten ihn nicht aus dem Weg
zu räumen; so wird er noch lange als Erinnerung dort liegen bleiben. Nähe Ancora
hielten wir mit erhabenen Blickes über den Ort Ancora an einer Kapelle
Mittagsrast. Von hier aus nur noch 2 bis 3 km bis Vila Praia, zum Hostel,
unmittelbar am Meer gelegen, mit Sandstrand. Nach dem die Zimmervergabe erfolgt
war, fragte ich nach der Küche, die wir ja brauchten. Nix mit Küche, die hatten
keine. Was nun? So entschied das Schicksal, dass wir ein
Sonnenuntergangspicknick am Strand machten – und das konnte sich sehen lassen,
alles was das Herz begehrt, nur diesmal keine warme Küche. Das Wetter bescherte
uns einen traumhaften Sonnenuntergang, Einheimische und auch andere Pilger
suchten unseren Kontakt, hatten Spaß an dieser Zusammenkunft. Aber kaum war die
Sonne weg, da ward es so kalt, dass wir schnell in die Zimmer flüchteten. Einige
von uns erkundeten noch die Bars, schauen, wo wir am nächsten Morgen frühstücken
konnten. Diesmal sollte die Frühstücksbar gleich zu Beginn unseres Pilgerns
aufgesucht werden.
Dienstag: 7 Uhr zum Frühstücken in die Bar.
Anschließend auf den Weg, für uns die letzte Teiletappe in dieser
Saison.
Ca. 8
km von
Vila Praia de
Ancora nach Caminha. Die Route führt entlang der
Strandpromenade vorbei an abwechslungs-reicher steiniger Küste. Wir sehen am
Strand einen angeschwemmten ausgebleichten Stamm, senkrecht im Boden klemmend.
Den wählen wir aus, um an ausgesprochener Stelle, in Bodenferne, einen
Kullerstein zu positionieren, bedacht mit allen guten Wünschen für alle
Daheimgebliebenen. In der Ferne sehen wir einen kugeligen Berg, er liegt schon
in Spanien. Dort, wo im nächsten Jahr unser Camino seine Fortsetzung erfährt.
Caminha ist ein gefälliger Ort und nach längerer Rast, mit Picknick am
Grenzfluss Minho, fahren wir mit dem Schnellzug zurück nach Porto und beziehen,
nur 15 Minuten Fußweg zum Aeroporto, für die letzte Nacht ein Hostel. Für die
Abendein-kehr hatten wir eine super Adresse bekommen, Essen vom Feinsten und
alles zu einem versöhnlichen Preis. Wir schwärmten noch am nächsten Tag von
dieser Einkehr.
